Der NEPS-Bereich „Soziale Ungleichheit und Bildungsentscheidungen im Lebenslauf“ richtet den Blick auf die Ursachen von Bildungsentscheidungen, die nach sozialstrukturellen Gruppen variieren, wie beispielsweise die Schulwahl bei der Einschulung, die Wahl einer weiterführenden Schule, die Fortführung der Bildungskarriere in Form eines Studiums oder einer beruflichen Ausbildung, oder die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Schichtspezifische Unterschiede in den Bildungsentscheidungen lassen sich selbst dann beobachten, wenn vergleichbare Leistungen (z. B. Noten, Kompetenzen, Zertifikate) vorliegen.
Dabei werden drei Ursachen von Bildungsungleichheit unterschieden:
- Ungleichheit aufgrund von kompetenzbasierten Leistungsunterschieden (primäre Effekte der sozialen Herkunft);
- Ungleichheit aufgrund unterschiedlicher Entscheidungsmuster unter Konstanthaltung der Kompetenzen (sekundäre Effekte der sozialen Herkunft);
- Ungleichheit aufgrund von systematisch unterschiedlichen Empfehlungen und Entscheidungen einflussreicher Dritter (z. B. Lehrkräften) (tertiäre Effekte der sozialen Herkunft).
Die bisherige Forschung zeigt, dass im deutschen Bildungssystem im internationalen Vergleich besonders starke sekundäre Effekte wirken. Im Lebensverlauf werden Bildungsentscheidungen immer wieder von der sozialen Herkunft beeinflusst, von der Entscheidung der Eltern für frühkindliche Betreuung bis zur Entscheidung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Deshalb ist zu klären, welche Bedeutung Bildungsaspirationen, Motivation, Erfolgserwartungen und Bewertungen von Bildung je nach gesellschaftlicher Schicht haben und welche Rolle schichtspezifische Unterschiede im Zugang zu finanziellem, kulturellem und sozialem Kapital beim Bildungserwerb spielen.
Soziologische Theorien bieten eine Reihe von Erklärungen für diese differenziellen Entscheidungsmuster an, von Rational-Choice-Ansätzen über Sozialisationsansätze bis hin zu Dual-Process-Modellen. Darüber hinaus können Entscheidungen das Resultat unterschiedlicher Ressourcenausstattung in Form von finanziellem, kulturellem und sozialem Kapital sein.