Feel Your Languages: Eine Umfrage über die Emotionen mehrsprachiger Jugendlicher
Mehr als tausend Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren aus Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz nahmen an dieser Online-Befragung teil (N=1.023). Alle diese Jugendlichen sprechen eine nicht-deutsche „Herkunftssprache“, die sie in ihren Familien erlernt haben. Unter den nicht-deutschen Herkunftssprachen waren viele verschiedene Sprachen vertreten, die in Europa häufig gesprochen werden, wie zum Beispiel Türkisch, Russisch, Polnisch, Italienisch, Englisch und Spanisch. Es gab aber auch Sprachen, die eher selten gesprochen werden, wie Twi, Somali und Estnisch.
Zwei Sprachen, viele Gefühle
Viele Jugendliche gaben an, positive Emotionen im Zusammenhang mit dem Gebrauch ihrer Sprachen zu erleben. Einige empfanden jedoch auch negative Emotionen, vor allem im Zusammenhang mit der Verwendung ihrer Herkunftssprache:
- Über 70 % der Jugendlichen stimmten zu, dass es Situationen gab, in denen sie gerne die Herkunftssprache sprachen, und fast 60 % gaben dasselbe für Deutsch an.
- 30-40 % gaben an, sich manchmal nervös oder beschämt zu fühlen, wenn sie ihre Herkunftssprache sprachen.
- Etwa 20 % gaben an, sich manchmal nervös werden oder beschämt zu fühlen, wenn sie Deutsch sprachen.
Auch als wir die Jugendlichen baten, sich Alltagssituationen vorzustellen, in denen sie eine der beiden Sprachen sprechen, berichteten viele von Stolz oder positiven Gefühlen. Allerdings gaben sie auch negative Gefühle an. So bericheten beispielsweise über 40 % von Schamgefühlen, wenn sie sich vorstellten, im Gespräch mit Verkäuferinnen und Verkäufern im Herkunftsland einige Worte nicht zu beherrschen, und fast 30 % fühlten sich schuldig, wenn sie sich vorstellten, vor einem kritischen Großelternteil Deutsch zu sprechen.
Warum fühlen sich mehrsprachige Jugendliche so, wie sie sich fühlen?
Um herauszufinden, warum sich Jugendliche gut oder schlecht fühlen, wenn sie ihre Sprachen sprechen, haben wir sie über sich selbst, ihre Familien und ihre Schulen befragt. Ob sie sich freudig, stolz, schuldbewusst, ängstlich oder beschämt fühlten, hing von vielen Faktoren ab. Dazu gehörten zum Beispiel, ob sie oder ihre Eltern im Herkunftsland gelebt hatten, wie stark sie sich mit ihren beiden Kulturen verbunden fühlten und wie gut sie glaubten, die jeweilige Sprache zu sprechen.
Spielen Schulen und Lehrer eine Rolle?
Einige dieser Zusammenhänge waren überraschend: So berichteten Jugendliche, die ein Gymnasium oder ähnliche Schulformen besuchen oder besucht haben, über mehr negative Emotionen während der Verwendung der Herkunftssprache und Deutsch. Möglicherweise stellen sie an sich selbst sehr hohe Anforderungen?
Besonders auffällig war die Bedeutung der Lehrkräfte: Jugendliche, die den Eindruck hatten, dass ihre Lehrerinnen und Lehrer eine negative Haltung gegenüber der Herkunftssprache einnahmen, fühlten sich nicht nur beim Sprechen ihrer Herkunftssprachen, sondern auch beim Sprechen von Deutsch schlechter. Jugendliche, deren Lehrer ihre Herkunftssprachen lobten und schätzten, empfanden mehr Freude beim Sprechen beider Sprachen.