Zentraler Punkt in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion der PISA-Ergebnisse für Deutschland bleibt seit Jahren, dass die (frühe) Differenzierung nach den Fähigkeiten und Leistungen am Ende der Grundschule soziale (und ethnische) Ungleichheiten eher vertieft als abbaut. Weiterhin, so diese Argumentation, befördert die frühe Trennung in unterschiedliche Bildungswege die Leistungen der Schülerinnen und Schüler nicht. Esser untersuchte nun mit NEPS-Daten die Effekte der unterschiedlichen Regelungen zu den Schulübertritten für Gruppen von Bundesländern mit jeweils unterschiedlichen Traditionen. Er betrachtete hierbei sowohl die Bildungsbeteiligung als auch die Leistungen bei Einheimischen und Migrantenkindern.
In seinem Vortrag zeigte Esser deutliche Abweichungen vom oben genannten Argumentationsmuster auf. Diese laufen darauf hinaus, dass eine stringentere Orientierung der Differenzierung nach den Fähigkeiten und Leistungen am Ende der Grundschule das Leistungsniveau erhöht, ohne dass sich die Effekte der sozialen Herkunft im Sinne der Vertiefung sozialer Ungleichheit verstärken. Daneben wird deutlich, dass Migrantenkinder im Vergleich eher sogar Vorteile aus der frühen Differenzierung der Bildungswege ziehen. Differenzierung steht in diesem Zusammenhang stellvertretend für Bildungsempfehlungen und den Umgang der Eltern damit. Eine neue Perspektive auf diesen Prozess eröffnete Esser mit dem Blick auf die Tatsache, dass Bildungsempfehlungen „nach oben“ von Eltern je nach sozialer Lage in unterschiedlichem Umfang ignoriert werden. So gelangen begabte Kinder vor allem aus Familien mit geringem sozio-ökonomischen Status häufiger in Schulformen, die deren Leistungsvermögen nicht ausschöpfen. Esser brachte dieser Befund zu der Forderung: No talent left behind!
Hier sind nötige Maßnahmen offenkundig. Die von Esser angekündigte Einbeziehung weiterer Variablen aus dem NEPS-Datensatz wird sicher zu weiteren spannenden Ergebnissen in Rahmen dieses unkonventionellen Ansatzes führen.