Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) würdigt jährlich herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf Basis der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) mit einem Publikationspreis. In diesem Jahr sicherten sich Dr. Emilija Meier-Faust (DIW - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) und Prof. Dr. Rainer Watermann (Freie Universität Berlin) die mit 1.000 Euro dotierte Auszeichnung. Die beiden konnten mit ihrer Forschung zeigen, warum es wichtig ist, bei der Persönlichkeitsbeurteilung von Grundschulkindern sowohl Berichte der Eltern als auch der Lehrkräfte heranzuziehen.
In ihrer Publikation mit dem Titel “Perceiver Effects and Socioeconomic Background: Contrasting Parent-Reports against Teacher-Reports of Elementary School Students’ Personality” untersuchten Dr. Emilija Meier-Faust und Prof. Dr. Rainer Watermann, welchen Einfluss der sozioökonomische Hintergrund von Eltern auf die Wahrnehmung der Persönlichkeit ihrer Kinder hat. In einem Multi-Informanten-Ansatz verglichen sie, wie Eltern ihre Kinder beurteilen und wie das deren Lehrkräfte tun. Den sozioökonomischen Hintergrund messen Meier-Faust und Watermann zum einen anhand des sozioökonomischen Status der Eltern, zum anderen haben sie die Teilnahme an Hochkultur zugrunde gelegt, also wie oft Eltern mit ihren Kindern beispielsweise Museen, Theater oder Konzerte besuchen.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der sozioökonomische Hintergrund einen signifikanten Einfluss darauf hat, wie Eltern die Persönlichkeit ihrer Kinder wahrnehmen. Eltern mit höherem sozioökonomischen Status bewerten ihre Kinder im Vergleich zu Lehrkräften tendenziell weniger positiv. Die Teilnahme an Hochkultur-Aktivitäten hingegen wirkt sich positiv auf die elterliche Wahrnehmung aus, sodass Eltern, die häufiger ins Theater, Museum, etc. gehen, ihre Kinder im Vergleich zu Lehrkräften eher positiv bewerten. Die Studie legt nahe, dass die elterliche Wahrnehmung nicht nur vom Verhalten der Kinder, sondern auch von den eigenen Erfahrungen und Erwartungen geprägt wird.
Die Ergebnisse von Meier-Faust und Watermann können bei der Auswertung und Interpretation von Elternberichten in Large-Scale-Assessments – wie PISA oder TIMSS – berücksichtigt werden. Die beiden Autor:innen empfehlen, für ein umfassenderes Bild der Persönlichkeit eines Kindes zusätzliche Perspektiven einzubeziehen, beispielsweise Berichte der Lehrkräfte. Darüber hinaus sollten sozioökonomische Indikatoren als wichtige Kontrollvariablen zum Tragen kommen, um den Einfluss des familiären Hintergrunds auf die Persönlichkeitsbeurteilungen zu berücksichtigen.
Dr. Emilija Meier-Faust und Prof. Dr. Rainer Watermann nutzten Daten der Startkohorte 2 (Kindergarten) des NEPS sowie Daten aus der Studie "Transition" (Maaz et al., 2010). Diese ist eine nationale Erweiterung der Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS) 2007. Die Arbeit wurde im Dezember 2023 im Journal of Personality Assessment veröffentlicht.
Eine interdisziplinär zusammengesetzte Jury aus Mitgliedern der LIfBi-Leitungsebene hat über die Vergabe des Publikationspreises entschieden. Prof. Dr. Christian Aßmann begründete die Entscheidung der Jury wie folgt: „Emilija Meier-Faust und Rainer Watermann nutzen auf die bestmögliche Art und Weise die Reichhaltigkeit der NEPS-Daten und schöpfen dabei das Potential des Längsschnitts voll aus. Die von ihnen verwendete Multiinformanten-Perspektive erlaubt eine vergleichende Betrachtung der Einschätzung von Eltern und Lehrkräften über die Zeit hinweg“. Aßmann hob auch die Bedeutung der Studie für die Bildungsforschung hervor: „Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, bei der Persönlichkeitsbeurteilung von Grundschulkindern sowohl Berichte der Eltern als auch der Lehrkräfte heranzuziehen, um ein differenziertes Bild zu erhalten. Sie unterstreicht die Bedeutung multiperspektivischer Ansätze und sensibilisiert dafür, wie stark sozioökonomische Unterschiede die Wahrnehmung durch Eltern und Lehrkräfte beeinflussen.“
Für Emilija Meier-Faust ist der NEPS Publikationspreis auch Ansporn für ihre weitere wissenschaftliche Arbeit: „Die Auszeichnung dient mir als Bestätigung, dass es sich lohnt, auch an den schwierigen Forschungsfragen weiterzuarbeiten, selbst wenn man manchmal denkt, sich zu viel vorgenommen zu haben.“
Die Auszeichnung fand im Rahmen der 9. NEPS-Konferenz am LIfBi in Bamberg statt. Emilija Meier-Faust hielt dazu die Keynote der NEPS-Konferenz, die traditionell auch eine LIfBi Lecture ist.
Bibliographische Angaben
Meier-Faust, E., & Watermann, R. (2023). Perceiver Effects and Socioeconomic Background: Contrasting Parent-Reports against Teacher-Reports of Elementary School Students’ Personality. Journal of Personality Assessment, 106(4), 482–495. https://doi.org/10.1080/00223891.2023.2286449