Growth Mindset beschreibt die Überzeugung, dass die eigene Intelligenz und die kognitiven Fähigkeiten formbar sind und durch Anstrengung gesteigert werden können – dass sie also nicht als unveränderliche Eigenschaften angelegt sind. Die Forschung zeigt, dass Studierende, die die Idee des Growth Mindset kennen, mit höherer Wahrscheinlichkeit akademisch erfolgreich sind. Interventionen, die darauf abzielen, diese Überzeugungen zu ändern, insbesondere bei Gruppen mit geringen akademischen Leistungen, werden daher als Möglichkeit gesehen, die Leistungen zu verbessern oder die Einflüsse ethnischer oder sozialer Ungleichheiten zu verringern.
In ihrer Studie evaluierten Delevande, Del Bono, Holford und Sen (2019) daher die Effekte einer randomisierten Kurzintervention, die mit einer Stichprobe von britischen Universitätsstudenten im ersten Studienjahr durchgeführt wurde.
Rund 1.400 britische Studierende, die sich 2015/2016 im ersten Studienjahr befanden, nahmen am Experiment teil, 500 davon an allen drei Wellen. Während Welle 1 und 3 aus Online-Umfragen bestanden, war Welle 2 als randomisierte Labor-Interventionsstudie angelegt. Der Treatment-Gruppe wurde ein kurzes Video über aktuelle Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns gezeigt und darüber, wie sich im Gehirn nach Reizen/Stimuli neue Verbindungen bilden können. Diese Botschaften wurden mit dem Input von Psychologinnen und Psychologen sowie alltagstauglichen Lerntipps, wie etwa die Bedeutung des Besuchs von Lehrveranstaltungen oder der Vermeidung schlechter Gewohnheiten, kombiniert. Die Intervention vermittelte den Studierenden die Schlüsselbotschaft: Die eigenen Fähigkeiten können durch Anstrengung sowie durch bestimmte Lerngewohnheiten verbessert werden. Zur Randomisierung der Studie wurde einer Kontrollgruppe ein Video über die allgemeine Funktionsweise des Gehirns gezeigt.
Die subjektiven Überzeugungen der Schülerinnen und Schüler über die Steigerungsfähigkeit ihrer Leistungen und Elemente ihrer Lerngewohnheiten wurden zwei Monate später gemessen und mit den Ausgangsdaten vor der Intervention sowie mit der Kontrollgruppe verglichen. Die Ergebnisse zeigen positive Auswirkungen auf die Überzeugung, dass die eigenen Fähigkeiten formbar sind ebenso wie auf die Noten am Ende des Studienjahres. Diese Effekte gehen laut Del Bono nachweislich mit einer Veränderung der Lerngewohnheiten einher.
Kein Effekt war von den Forschenden der Essex University allerdings bezüglich der Anwesenheitsraten bei Lehrveranstaltungen feststellbar. „Recht überraschend für uns war, dass männliche Studenten stärker auf die Intervention reagiert hatten, es aber keine Unterschiede der Wirksamkeit der Intervention zwischen Personen mit hohem und niedrigem sozioökonomischen Hintergrund gab“, so Del Bono. Den stärksten Einfluss der Intervention konnten die Forschenden auf die Lerngewohnheiten der Treatment-Gruppe zeigen: Diese wollten danach verstärkt in den Bereichen hinzulernen, in denen sie bisher Defizite aufwiesen.
In der anschließenden Diskussion wurde intensiv über einen möglichen Spill-over-Effekt zwischen der Treatment- und der Kontrollgruppe gesprochen – diesen schloss Del Bono aber weitgehend aus, da beide Gruppen nicht wussten, dass sie unterschiedliche Videos gesehen hatten und der Begriff des Growth Mindset im Video der Treatment-Gruppe nie explizit erwähnt wurde.
Emilia Del Bonos Website (externer Link)