Die vom European Consortium for Sociological Research (ECSR) geförderte Konferenz umfasste Keynote Lectures von renommierten Forschenden, die spannende Einblicke in ihre Arbeiten zu den Auswirkungen der Pandemie auf verschiedene Aspekte der Gesellschaft boten. Prof. Dr. Bastian Betthäuser (Science Po, Paris) präsentierte Ergebnisse aus seiner Studie "A systematic review and meta-analysis of the evidence on learning during the COVID-19 pandemic". Sein Vortrag gab einen Überblick über die bisher veröffentlichten Ergebnisse zum Einfluss der Pandemie auf den Lernerfolg von Schüler:innen. Die Meta-Analyse zeigt, dass im Zeitraum von Mai 2020 bis Mai 2022 in verschiedenen Ländern ein zeitlich konstanter Rückgang des Lernzuwachses und ein Anstieg der sozialen Ungleichheit nach sozialer Herkunft zu beobachten war. Besonders beeindruckend war seine Analyse der Qualität veröffentlichter Studien, die aufzeigte, dass Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse geboten ist, da viele der zum Thema veröffentlichten Publikationen mit hoher Wahrscheinlichkeit verzerrte Ergebnisse aufweisen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Anette Fasang (HU Berlin) präsentierte in ihrer Keynote Ergebnisse ihrer Forschung zur Haushaltszusammensetzung und der Entwicklung von zwei beruflichen Risiken, die in der Pandemie an Bedeutung gewonnen haben: die Arbeit in nicht-systemrelevanten Jobs, die auch nicht im Homeoffice ausgeübt werden können. Anhand von Daten des Mikrozensus 2019 konnte sie zeigen, dass die Prävalenz dieser Risiken in West- und Ostdeutschland ähnlich war, die Armutsgefährdung im Osten jedoch erheblich größer als im Westen.
In seiner Keynote beleuchtete Dr. Thomas Skora (gesis) die surveymethodologischen Aspekte der COVID-19-Forschung und wies auf die Zunahme wissenschaftlicher Umfragen zu Beginn der Pandemie hin. Er identifizierte Unterschiede zwischen etablierten sozialwissenschaftlichen Befragungen und neu initiierten Studien. Die anschließende Paneldiskussion mit Forschenden aus dem Bereich Datenerhebung und Umfrageverwaltung beleuchtete die Herausforderungen der Datenerhebungsinstitute und diskutierte mögliche Auswirkungen der Pandemie auf das Design von Befragungen und Implikationen für Forschende zum Thema.
Neben den reichhaltigen inhaltlichen Diskussionen bildete die Konferenz die Plattform für einen intensiven Austausch über Forschungsmethoden, Fallstricke und Limitationen von Studien. Dabei wurden nicht nur methodische Aspekte behandelt, sondern auch theoretische Überlegungen angestellt und länderübergreifende Vergleiche angestellt. Ein besonders eindrucksvoller Vortrag von Dr. Kathleen Anangwe beleuchtete die Situation in Kenia und zeigte, wie die Pandemie-Maßnahmen dort die ohnehin problematische Lage älterer Menschen verschärft haben.
Insgesamt bot die ECSR-Konferenz am LIfBi einen umfassenden Rahmen für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. Die Konferenz zeigte nicht nur aktuelle Entwicklungen auf, sondern auch methodische Herausforderungen und betonte die Bedeutung differenzierter Betrachtungsweisen.