Seit das Statistische Bundesamt im Jahr 2001 das erste FDZ in Deutschland gegründet hat, ist viel passiert: „Diese Initialzündung ist zum Erfolgsmodell geworden“, umriss die RatSWD-Vorsitzende Prof. Dr. Monika Jungbauer-Gans, Leiterin des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), bei der Eröffnung der Jubiläumsveranstaltung die Entwicklung der letzten 20 Jahre. Sie beschrieb die FDZ als ein Modell der Datentreuhänderschaft, um Forschungsdaten unter Berücksichtigung aller Belange des Datenschutzes an Forschende weiterzugeben. Mittlerweile existieren in Deutschland 40 vom Rat für Sozial- und WirtschaftsDaten (RatSWD) akkreditierte FDZ, deren Bandbreite an Themen und Methoden weltweit einmalig ist.
Perspektiven zur Stärkung der datenbasierten Forschung in Deutschland
Um diese Forschungsdateninfrastruktur in Deutschland zu stärken und weiterzuentwickeln, sind nach Jungbauer-Gans grundlegende politische Weichenstellungen nötig. Als Kernforderungen des jüngst veröffentlichten Positionspapiers nannte sie den Zugang zu Register- und Verwaltungsdaten für wissenschaftliche Zwecke sowie den gesetzlichen Schutz der Vertraulichkeit von Forschungsdaten – beispielsweise durch ein Zeugnisverweigerungsrecht sowie ein Beschlagnahmeverbot.
Auf Perspektiven der Weiterentwicklung ging auch der Sprecher von KonsortSWD, Prof. Dr. Christof Wolf, Präsident des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften (GESIS), in seinem Grußwort ein. Er wies unter anderem darauf hin, dass viele Daten in der Hand von privatwirtschaftlichen Unternehmen liegen; es sei daher politisch geboten, der Wissenschaft einen geregelten Zugang zu proprietären Daten zu Verfügung zu stellen.
Forschungsdatenzentren als freiwillige Selbstverpflichtung
In vier Inputvorträgen wurde die Bedeutung der Forschungsdatenzentren für die Wissenschaft aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Prof. Regina T. Riphahn, Ph.D. von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, setzte sich für das Absenken von Hürden bei der Verknüpfbarkeit unterschiedlicher Datensätze ein. Sie forderte dazu auf, über die Entwicklung von föderierten und kooperativen Strukturen für die Forschungsdatenlandschaft nachzudenken, damit es nicht zu einer „Aufsplitterung von Forschungsdatenzentren nach Datenbesitzern“ kommt, wie es schon im Gutachten der „Kommission zur Verbesserung der informationellen Infrastruktur zwischen Wissenschaft und Statistik“ (KVI) aus dem Jahr 1999 gefordert wurde.
Dr. Daniel Vorgrimler vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden wies darauf hin, dass es momentan keine gesetzliche Verpflichtung für die Statistischen Ämter gäbe, ein FDZ zu betreiben: „Wir tun’s, weil wir’s wollen“. Eine gesetzliche Verankerung sei daher anzustreben.
Einen grundsätzlichen Blick auf den Prozess der Etablierung von innovativen Forschungsdateninfrastrukturen richtete Prof. Dr. Sören Auer, Direktor der Technischen Informationsbibliothek in Hannover. „Wir müssen schauen, dass wir auf ein Plateau der Produktivität kommen“, das den dauerhaften Erfolg sicherstellt. Er schlug daher vor, im Zuge der Digitalisierung neue Wege auch bei den Arbeitsmethoden und bei der Nutzbarmachung der Datenbestände einzuschlagen.
Als Beispiel für einen alternativen Aufbau einer Dateninfrastruktur stellte Prof. Dr. David Reimer von der Aarhus Universität die Situation in Dänemark vor. Dort bietet Danmarks Statistik (DST) einerseits einen umfassenden Zugang für Forschende zu Registerdaten an, zum anderen können auch entsprechende Verknüpfungen mit Surveydaten auf Basis eines eineindeutigen Schlüssels vorgenommen werden, ohne dass die gegebenen Möglichkeiten im Widerspruch zur europäischen Datenschutzgrundverordnung stehen.
„Wir wollen ja, wir müssen nur dürfen“
In der anschließenden Diskussionsrunde, die wie die gesamte Festveranstaltung von dem Wissenschaftsjournalisten Dr. Jan-Martin Wiarda moderiert wurde, diskutierten die Expertinnen und Experten unter anderem Möglichkeiten von Datenspenden aus der Bevölkerung sowie Anreize für Forschende zur Bereitstellung von Daten. Auch die Verknüpfung von Datenbeständen im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wurde intensiv diskutiert. Einhellige Meinung war dabei, dass hier die Politik stärker in die Pflicht genommen werden muss, was Wiarda mit „Wir wollen ja, wir müssen nur dürfen“ zusammenfasste. Auch die finanzielle Ausstattung sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis wurden intensiv diskutiert; hier stand als Fazit des Abends fest: „Es ist teuer, gute Daten zur Verfügung zu stellen, aber noch teurer ist es, das nicht zu tun!“
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Mit dem im Herbst 2020 gestarteten Konsortium für die Sozial-, Verhaltens-, Bildungs- und Wirtschaftswissenschaften (KonsortSWD) sind die FDZ unmittelbar an der Weiterentwicklung der nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) beteiligt. Das LIfBi verantwortet mit der Task Area 2 „Datenzugang“ einen von vier Arbeitsbereichen des Konsortiums und koordiniert unter anderem den FDI Ausschuss, in dem alle vom RatSWD akkreditierten FDZ vertreten sind.
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